Yann Layma: China – Bild Und Wirklichkeit

1 Mai - 1 November 2006

Credit Suisse (Deutschland) AG
Kunst im Palais am Lenbachplatz, München
Mai – November 2006

Konzept und Organisation: Dr. Petra Giloy-Hirtz und Ira Stehmann, curators

 

Sechster Szenenwechsel bei Credit Suisse: nach „Wunder der Natur“ in klassischer und zeitgenössischer Photographie nun die „Wunder Chinas“, wie sie der französische Photograph Yann Layma in seinen berückend schönen Arbeiten festhält. Zwischen der reichen Tradition, den Spuren architektonischer Vergangenheit, den faszinierenden Überresten einer Jahrtausende alten Zivilisation und dem atemberaubenden Modernismus oszillieren diese Bilder, die das archaisch anmutende Holzhaus, Tempel oder Kloster, Buddhas und Dschunken einfangen wie die Hochhäuser, pulsierende Straßen-szenen, das Chaos von Kränen, Taxis und Reklametafeln.

 

Die Ausstellung zeigt Photographien überbordender Farbigkeit: Landschaften, Metropolen, Menschen. Die Massengesellschaft, Arbeiter, Bauern, Soldaten, und den Einzelnen, das versonnene Antlitz, kontemplativ, in Verbindung mit Kosmos und Natur. Lebensräume werden dokumentiert, ökonomische Bedingungen, kulturelle Verhältnisse und mentale Befindlichkeiten als Grundpfeiler der chinesischen Zivilisation. Arbeit und Alltag spiegeln sich, Lebenslust und Spiel, soziale Lebensformen - mal malerisch romantisch, mal mit analytisch kühlem Blick: die Tradition des Handwerks, des ländlichen Lebens, der Arbeits-bedingungen in der Industrie. Eine Gesellschaft in all ihren Facetten entfaltet sich in Yann Laymas Oeuvre, und es schenkt auch demjenigen, der dieses Land nicht kennt, die sinnliche Erfahrung einer Begegnung.

 

Das Thema China hat Konjunktur. Die Medien dokumentieren das große internationale Interesse, ausgelöst durch den rasanten wirtschaftlichen Aufstieg des Landes, die zunehmenden Handelsbeziehungen, die Wirtschaftsreformen und den Aufbau einer modernen Industriekultur - zwischen Frohlocken über „den größten Boom der Menschheitsgeschichte“ und Angst vor der Wucht der expandierenden Ökonomie der Volksrepublik. Die Entdeckung des Geldes, Lust am Materiellen, Wohlstand auf der einen Seite - „Reich werden ist ehrenvoll“, der Satz des früheren Staatschefs Deng Xiaoping wurde zur Maxime des Handelns – die Opfer auf der anderen: große soziale Ungleichheit, Armut, Vergiftung von Luft und Wasser. Die „harmonische Gesellschaft“ hat Präsident Hu Jintao zum Ziel erklärt. Yann Laymas Photographien scheinen der Hoffnung auf eine gute Zukunft des Landes Ausdruck zu geben.

 

Es ist ein Glück, dass Credit Suisse eine Auswahl dieser Arbeiten zeigen kann und dass der Künstler kommt, um die Mitarbeiter mit dem Thema vertraut zu machen und an der Eröffnung der Ausstellung selbst über seine Arbeit zu erzählen. Ein ungewöhnlicher Mann: sehr jung, bricht er Ende der siebziger Jahre nach China auf, und seine Neugierde und die Liebe zu diesem Land führen ihn in Gegenden, die wohl nie zuvor einem Menschen aus dem Westen zugänglich waren.

 

Und so bringt er nie gesehene Bilder mit nach Hause. Yann Layma lernt in Paris und Taiwan die chinesische Sprache, die ihn den Menschen nahe bringt und ihre Kultur zu verstehen lernt. China wird seine zweite Heimat. („Gemäß einem Brauch tauft mich mein Vermieter in einem feierlichen Ritual auf einen chinesischen Namen: Yan Lei; in Anlehnung an den Wächter der Höllentore, Yan Louwang. Lei ist das chinesische Wort für Blitze. Es ist so als würde man mich im Deutschen ‚Die Blitze des Wächters der Höllentore’ nennen.“) Yann Layma nimmt sich als Künstler zurück. Das Gesicht Chinas will er mit seinen Photographien einfangen. Es geht ihm weder um Ideologie noch um seine persönliche künstlerische Handschrift. Er ist nicht interessiert an einer Photokunst, die auf einer ästhetischen Theorie beruht. Yann Layma sucht die möglichst intensive Aus-einandersetzung mit dem Land. Dazu nimmt er sich Zeit, er verweilt, arbeitet mit Hingabe. Seine Bilder atmen den Rhythmus des anderen Lebens. Sie zeigen das Offensichtliche, das Wirtschafts-Wunder, und bannen das Verschwindende, Verwunschene. Sie halten die Insignien einer Kultur fest, das Religiöse, das Geistige, die Künste, die humane Dimension einer Gesellschaft - in großer ästhetischer Anziehungskraft, einfühlsam und aufmerksam, ein Genuss für das Auge des Betrachters und eine Herausforderung zum Denken.

 

Auszug aus der „Kunst Verstehen Broschüre“ von curators für Credit Suisse, Sechster Szenenwechsel